DZG: Politiker schätzen Gastwelt, halten diese aber mehrheitlich für zersplittert

8. Juli 2024 – Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG)

Denkfabrik befragt Bundestagsabgeordnete zu deren Sicht auf die Tourismuswirtschaft –
Das Ergebnis: Hohe Zustimmung zur Arbeit der Gastwelt bei niedriger politischer Priorisierung

Grundsätzlich schätzen Bundestagsabgeordnete die Arbeit der über 250 000 Unternehmen der Gastwelt (Tourismus, Travel, Hospitality & Foodservice) und sehen diese für das soziale Miteinander in unserer Gesellschaft als „sehr relevant“ an. Gleichzeitig räumen sie dem Themenfeld aber nur eine geringe politische Priorität in Berlin ein.

Das zeigt eine Befragung der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) unter Bundestagsabgeordneten zu Inhalten, Wahrnehmung und Kommunikation der Gastwelt bzw. Tourismuswirtschaft. Ein mutmaßlicher Hemmschuh wurde dabei erneut sichtbar: Der Sektor wird als nicht besonders homogen wahrgenommen: Pluralität und Vielseitigkeit der Interessenvertretung wecken bei sieben von zehn Befragten (68 Prozent) den Eindruck von Zersplitterung. 

Tatsächlich bietet die Auswertung aufschlussreiche Einblicke in die politische Wahrnehmung der Gastwelt in der Bundeshauptstadt. Und so sieht der Vorstandschef der Denkfabrik, Dr. Marcel Klinge, sowohl die Branche als auch politische Verantwortungsträger in der Pflicht: „Wir haben hohe Zustimmungswerte bei niedriger politischer Priorität. Die wichtigste Aufgabe ist und bleibt daher die Verbesserung der gegenseitigen Kommunikation“. 

Gastwelt wird deutschlandweit als wichtig und relevant angesehen
Ein erfreuliches Ergebnis sei die grundsätzliche Wertschätzung der befragten Politiker gegenüber der Gastwelt, betont Klinge: 85 Prozent der teilnehmenden Abgeordneten sehen den Sektor als „wichtig“ für die Bundesrepublik Deutschland an und sogar 96 Prozent attestieren ihm eine „hohe Relevanz“ für ihr jeweiliges Bundesland. Dabei ergibt sich ein differenziertes Bild, wenn nach den einzelnen Branchen innerhalb der Gastwelt gefragt wird: National werden als „sehr relevant“ insbesondere Verkehrsleistungen (77 Prozent), Gastronomie (74 Prozent), Kunst und Kultur (62 Prozent), Schankwirtschaft und Hotellerie (jeweils 55 Prozent) sowie Sportfreizeit (51 Prozent) erachtet. 

Die politische Bedeutung der Gastwelt scheint in Berlin jedoch nicht im Einklang mit ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu stehen. So rangiert der Sektor im Vergleich lediglich auf Platz elf von 14 abgefragten Politikfeldern. An der Spitze des Rankings stehen Wirtschaftspolitik, Energiepolitik und Asyl- und Migrationspolitik. DZG-Sprecher Klinge: „Diese Diskrepanz wirft die Frage auf, wie die Branche dieses Bedeutungsdelta überwinden kann, besonders mit Blick auf die enormen Zukunfts-Herausforderungen wie dem Mitarbeitermangel, bröckelnde Standortattraktivität und steigenden Kosten.“ Die Kluft zwischen Zustimmung und Priorisierung als politisches Themenfeld lässt für den Chef der Denkfabrik nur einen Schluss zu: „Man findet uns zwar nett, wir bringen aber politisch zu wenig Gewicht auf die Waage. Dabei sind wir kein ‚Nice to have‘, sondern ein unverzichtbarer wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Stabilitätsanker. Diese Kernbotschaft müssen wir alle in Zukunft stärker kommunizieren.“

Bewertung der Umsatzsteuer-Kampagne 2024
Interessante Einblicke brachte die Abgeordnetenbefragung auch zur Kampagne zur Verstetigung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes im vergangenen Jahr: 74 Prozent fühlten sich über die Ziele und Inhalte der Kampagne gut informiert, 85 Prozent sahen sich ausreichend mit Zahlen und Fakten versorgt und 73 Prozent konnten das Anliegen der Gastronomie nachvollziehen. Allerdings überzeugten „nur“ 46 Prozent der Befragten die vorgebrachten Argumente. Fünf von zehn Politikern bewerteten die Forderung nach einer Verlängerung der Umsatzsteuerreduzierung auf sieben Prozent indes als realistisch (50 Prozent), 73 Prozent konnten das Anliegen der Gastronomie persönlich „nachvollziehen“. 

Interessenvertretung wird als zersplittert wahrgenommen
Die Kommunikation gegenüber der Bundespolitik wird insgesamt als gut bewertet (59 Prozent), elf Prozent bewerteten sie sogar als sehr gut, 26 Prozent als befriedigend. Sieben von zehn Befragten nehmen allerdings eine Zersplitterung der Interessensvertretung wahr (68 Prozent). „An diesem zentralen Punkt sollten wir mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 unbedingt gemeinsam arbeiten. Die von der DZG zusammen mit 44 Verbänden und Organisationen jüngst gestartete Awareness-Kampagne #HerzUnsererGesellschaft ist ein schönes Beispiel, wie das im Schulterschluss gelingen kann“, so Klinge.

Zur Methodik: Die Befragung fand von Anfang Februar bis Ende März 2024 statt. Knapp zehn Prozent der 733 angeschriebenen MdBs nahmen teil, was im Vergleich zu analogen Befragungen überdurchschnittlich ist (in der Regel liegt die Rücklaufquote bei vier bis fünf Prozent). Gleichwohl handelt es sich den vorgestellten Ergebnissen um ein kursorisches Stimmungs- und Meinungsbild. 

Hintergrund

Gastwelt

Die Gastwelt ist ein vom Fraunhofer IAO und der Denkfabrik im Jahr 2022 neu konzipierter Dienstleistungssektor, der Gastlichkeit und Lebensqualität als gemeinsames Serviceprodukt in den Mittelpunkt stellt. Die Gastwelt ist durch ihre 250.000 mittelständischen Betriebe eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft und mit 6,2 Millionen Mitarbeitenden der zweitgrößte Arbeitgeber Deutschlands. Sie setzt sich aus den Gastwelt-Sektoren Beherbergung, Gastronomie, Foodservice, Tourismus und Freizeitwirtschaft zusammen und prägt damit den Alltag von Millionen Menschen. Als Arbeitgeber, Standortfaktor und Innovationsmotor trägt die Gastwelt maßgeblich zur wirtschaftlichen Stabilität bei und schafft als #HerzUnsererGesellschaft Orte der Begegnung und des sozialen Miteinanders. Ihre enge Verzahnung mit Handel, Mobilität, Digitalisierung und Infrastruktur macht sie zu einer unverzichtbaren Querschnittsbranche mit Millionen Arbeitsplätzen und hoher Standorttreue.

DZG

Die 2021 gegründete Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) vernetzt auf Bundesebene Politik, Wissenschaft, Verbände und hochkarätige Vertreter aller Wertschöpfungssektoren der Gastwelt (Tourismus, Hospitality, Foodservice & Freizeit). Der interdisziplinäre und überparteiliche Thinktank fokussiert sich inhaltlich auf strategische Zukunftsthemen – wie Arbeitskräftesicherung, Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und KI – und entwickelt praxisnahe Maßnahmen zur effektiveren Krisenbewältigung.

Die über 200 Mitgliedsunternehmen und Partner der Spitzenorganisation (wie z.B. die Radeberger Gruppe, Deutsche Bahn, Unilever Food, Motel One, Transgourmet, Metro, Center Parcs, Dorint, Bioland, Dussmann, NordCap, Best Reisen, FlixBus, Booking.com, Gerolsteiner) beschäftigen zusammen über 740.000 Mitarbeitende in allen Regionen Deutschlands. Außerdem engagieren sich über 20 führende Verbände und Organisationen aus allen fünf Gastwelt-Sektoren (wie z.B. die Hoteldirektorenvereinigung Deutschland HDV, der Verband Deutscher Freizeitparks VDFU, der Verband Internet Reisevertrieb VIR, der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen, die Deutsche Barkeeper-Union DBU, die Jeunes Restaurateurs Deutschland JRE, der Industrieverband Haus-, Heiz und Küchentechnik HKI) in der DZG.